Schauraum

Darstellung in der Landschaftsarchitektur


AUF DEM GRUND GEHEN

Die vorliegende Masterthesis thematisiert unter dem Titel „Auf dem Grund gehen“ die gestalterische Aufwertung von Niedrigwasserständen an Stauseen und setzt sich mit der Schnittstelle des wasserbaulichen Ingenieurbauwerks einer Talsperre, den damit verbundenen Wasserschwankungen und der besonderen Freiraumqualität, die durch das Aufkommen von Niedrigwasserständen entstehen, auseinander.

Anlass dieser Auseinandersetzung sind die Niedrigwasserstände, die in Folge der Bewirtschaftung, der technischen Zweckbestimmung einer Talsperre sowie des klimaabhängigen Dargebots an Wasser auftreten. Auf diese Weise entsteht ein enormes Konfliktpotential für die unterschiedlichen Nutzer des Stausees. Bei Niedrigwasser stehen temporär Flächen zur Verfügung, denen aus wasserbaulicher Perspektive keine weitere Nutzung zugewiesen wird. Insbesondere für die Naherholung und den Tourismus ergeben sich eklatante Defizite, vor allem wenn es bereits in den Sommermonaten zu extremen Niedrigwasserständen kommt. Besonders betroffen ist davon der wassergebundene Tourismus. Trotz der genannten Defizite bringen die Wasserschwankungen und vor allem die Niedrigwasserstände faszinierende, abwechslungsreiche und unerwartete Bilder in der Landschaft hervor. Das Spannungsfeld der beiden Welten, die des Stausees und die des Seegrunds, wird dabei vor allem durch die zeitliche Verschiebung und Unregelmäßigkeit geprägt, die durch die Bewirtschaftung der Stauseen entstehen. So können je nach Zeitpunkt des Niedrigwasserstandes aber auch je nach Wasserstand insgesamt völlig unterschiedliche Landschaftsbilder entstehen.

Aus diesem Grund untersucht die Masterthesis die Qualität von Niedrigwasserständen am Beispiel des Edersees als drittgrößten Stausee Deutschlands aus landschaftsarchitektonischer Sicht. Auf Grundlage einzelner, spezieller Entwurfssituationen werden Strategien generiert, die auf die schwankenden Wasserstände anderer Stauseen übertragen werden können. Die leitenden Fragen der Auseinandersetzung lauten: Welche unterschiedlichen Ansprüche bringen die technischen Gegebenheiten einer Talsperre mit sich? Wie kann man auf unterschiedliche Wasserstände gestalterisch reagieren und sind diese gestalterisch nutzbar? Wie können die temporär brachliegenden Flächen genutzt werden ohne das Stauvolumen der Talsperre zu beeinflussen? Welche besonderen Qualitäten und Vorteile bieten Niedrigwasserstände in Stauseen?

Welche neuen Nutzungen können sich ergeben? Die theoretische Auseinandersetzung dieser Arbeit beginnt zunächst mit einer Betrachtung des technischen Bauwerks einer Talsperre, deren funktionaler und gesellschaftlicher Bedeutung und den Charakteristika von Stauseen sowie einer weiterführenden Untersuchung ausgewählter Stauseen in Deutschland. Diese werden in Bezug auf mögliche Niedrigwasserstände sowie die unterschiedlichen Funktionen und damit in Verbindung stehenden Konflikten durch die jeweiligen Nutzer untersucht. Als exemplarisches Untersuchungsgebiet wird der Edersee im Norden Hessens ausgewählt, dessen Wasserstand im Bewirtschaftungsjahr 2016/2017 besonders niedrig war. Die funktionale Bestimmung des Edersees als Bundeswasserstraße ist in erster Linie die Niedrigwasseraufhöhung, also die Schiffbarmachung der Oberweser sowie des Mittellandkanals. Überdies hat die Edertalsperre in den vergangenen Jahrzehnten eine zunehmende Bedeutung für den Tourismus, insbesondere den Wassersport, erlangt, sodass sich die gesamte Region heute wirtschaftlich auf den Tourismus eingestellt hat. Während es in den Herbstmonaten schon immer zu Niedrigwasserständen gekommen ist, sind die langen Trockenperioden im Sommer ein zunehmendes Problem für die touristischen Ziele. Da das Bewerben der zurückgebliebenen Dorfstrukturen den niedrigen Wasserstand als „Abfall-Attraktion“ publiziert, entstehen damit negative Auswirkungen auf den Edersee als Destination.

Bearbeitung: Kerstin Wagener
Betreuung: Prof. Dipl.-Ing. Katja Benfer, Prof. Dr. Martin Prominski