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Erste „Zukunftsschmiede“ für Gartengeschichte und -Denkmalpflege in Hannover-Herrenhausen

Erste „Zukunftsschmiede“ für Gartengeschichte und -Denkmalpflege in Hannover-Herrenhausen

© Christian Burkert

Historische Gärten bringen sich in aktuelle Klimadebatte ein und gestalten Zukunft

Mit einem Appell, den Wert historischer Gärten, Parks und Kulturlandschaften stärker in die aktuelle Klimadebatte einzubringen und Gartendenkmäler als Orte gesellschaftlichen Austauschs wiederzubeleben, ist die internationale „Zukunftsschmiede für Gartengeschichte und Gartendenkmalpflege in Hannover-Herrenhausen“ am Freitag, 7. März 2024, zu Ende gegangen. Rund 120 Teilnehmende diskutierten an der Leibniz Universität Hannover (LUH) und in den Herrenhäuser Gärten an drei Tagen erstmals übergreifend den Status Quo und die Vielzahl an Herausforderungen für die wissenschaftlichen und praxis-bezogenen Disziplinen rund um das Gartenerbe. Bei einer abschließenden Podiumsdiskussion waren sich die Beteiligten einig, dass Gartendenkmale nicht nur Geschichtszeugnisse und bedrohte Zeugnisse der Vergangenheit sind, sondern als ‚lebendes‘ Kulturerbe einen wichtigen Beitrag bei der Anpassung an den Klimawandel, den Artenschutz und in der Transformation zu einer nachhaltigeren Welt lieferten. Das Bewusstsein in der Gesellschaft und vor allem in der Politik für die besonderen, nachhaltigen Ressourcen, die öffentliche Gartenanlagen bereitstellen, müsse gestärkt werden.

Zugleich wurde eine neue Programmatik für die Gartendenkmalpflege gefordert, die die Orientierung am Gemeinwohl, einen Bildungsanspruch, die wissenschaftliche Herangehensweise, das kollaborative Arbeiten sowie das in Gärten gelebte Mensch-Natur-Verhältnis mitbetrachtet. Bisher war die Gartendenkmalpflege als das Erforschen, Erhalten und Vermitteln von Zeugnissen der Garten- und Landschaftskultur definiert worden. Die facettenreichen Qualitäten historischer Gärten, Parks und Kulturlandschaften sind noch nicht fester Bestandteil dieses Auftrags. Unter anderem wurde die Bedeutung der Gartenkonservierungswissenschaften für die Gesundheit der Menschen, für Bildung und für den Wissensaustausch hervorgehoben, aber auch für das interdisziplinäre Arbeiten einer vergrößerten Fachgesellschaft. Die Freiräume verschiedener Epochen, darunter Gärten und Parks, aber auch Friedhöfe, Stadtplätze oder Wallanlagen sowie insbesondere auch Zeugnisse des 20. Jahrhunderts sowie die überkommenen gärtnerischen Kulturtechniken als immaterielles Erbe trügen zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft entscheidend bei. Ihr fachgerechter Erhalt, ihre wissenschaftliche Erforschung und die Nutzung von Gärten als Orte des Dialogs und Lernens seien in hohem Maße gesellschaftsrelevant.

Gartendenkmale brauchen Wissenschaft und Nachwuchs

Die dreitägige Veranstaltung zu den Perspektiven des Gartenerbes führte Vertreter:innen bedeutender Organisationen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und universitäre, staatliche, berufsständische und ehrenamtliche Ebenen zusammen. Veranstalterinnen waren Inken Formann, Professorin für Gartengeschichte und Gartendenkmalpflege am Institut für Landschaftsarchitektur der LUH, und das dem Lehrgebiet zugeordnete Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) als seit 2001 tätige Forschungseinrichtung. Der von der VGH Stiftung und der Niedersächsischen Bingo Umweltstiftung geförderte Kongress in Kooperation mit den Fachbereichen Umwelt und Stadtgrün sowie Herrenhäuser Gärten der Landeshauptstadt Hannover lotete wissenschaftliche Handlungsfelder aus und brachte die drängendsten Anforderungen von Gartendenkmalen zur Sprache. Dabei wurde gefordert, die Ausbildungssituation junger Menschen in vielen Bereichen zu verbessern, insbesondere angehende Landschafts-architekt:innen auf Berufe in grünen Denkmalen vorzubereiten und das gärtnerische Handwerk zu stärken. Erörtert wurde auch, wie das CGL den wissenschaftlichen Diskurs zukünftig fördern kann und wie es sich als die deutsche Forschungsstätte zur Gartengeschichte und Gartendenkmalpflege weiterentwickeln soll.

Das Spektrum der Themen reichte von gartendenkmalpflegerischen Maßnahmen, um artenreiche und genetisch vielfältige Bestände in historischen Gärten, Parks und Kulturlandschaften auch bei voran-schreitender globaler Erderwärmung zu bewahren, über Lücken in der wissenschaftlichen Erforschung und Datenerfassung, zu Nutzungsansprüche an Gärten, gesellschaftlichen Wandel und Rechtsfragen, bis hin zur Einbindung von KI und digitalen Strategien zur Datensammlung und Wissensvernetzung. Größte Schwierigkeiten, denen alle Grünanlagen ausgesetzt sind, bereiten die zerstörerischen Auswüchse des Klimawandels mit Hitzestress, Dürreperioden und Wassermangel, die den Lebensraum von Pflanze und Tier gleichermaßen beeinträchtigen, als auch Bodenerosionen durch Starkregen und Überflutungen. Artenaustausch vs. Bewahrung und Substanzerhalt waren genauso Thema wie das partnerschaftliche Arbeiten des Denkmal- und des Natur- und Artenschutzes. Dringliche Forschungsfragen, Wohlfahrts- und Gesundheitswirkungen der Gärten, Herausforderungen für die Lehre und ein neuer Blick auf Bildung für nachhaltige Entwicklung und vieles mehr wurde in insgesamt 32 Arbeitsgruppen erörtert.

Formann: Fachgesellschaft zeigte Strategien zur Bewahrung des Gartenerbes auf

Als traditionsreicher Standort stand Hannovers Gartenerbe aus 700 Jahren paradigmatisch für zentrale Probleme und Chancen, die bei der „Zukunftsschmiede“ behandelt wurden. Hannover ist aber auch ein Vorbild für den Schatz einer großen Gartenvielfalt einschließlich Anlagen des 20. Jahrhunderts, ebenso für starke, gute Signale aus der Kommunal- und Landespolitik, für die Bedeutung des bürgerschaftlichen Ehrenamtes sowie von Bildung und Vermittlung. Von Hannovers Universität ging die Aufwertung der Gartendenkmalpflege aus, die der Gartenhistoriker Dieter Hennebo (1923–2007) zu einem bedeutenden akademischen Ausbildungszweig ausbaute. In seinem Grußwort zum Auftakt der Tagung erinnerte der Präsident der LUH, Prof. Dr. Volker Epping, an Hennebos Wirken zum Schutz des Kulturerbes und mahnte an, für die demokratische Grundordnung einzutreten.

„Die Tagung, die die Studierenden eines LUH-Masterseminars maßgeblich mitgestalteten, hat einen für uns unerwarteten Zuspruch erfahren“, sagte Formann. „Die Teilnehmenden nahmen nicht nur den ergebnisoffenen Wissensaustausch dankbar an. Besonders inspirierend wirkte das Zusammenführen von Ideen junger Menschen mit dem Erfahrungswissen von Spezialist:innen, die schon lange in ihren Berufen stehen.“ Formann hob auch die hohe Anzahl der vorab eingereichten Impulse heraus, die zur breiten thematischen Auffächerung der „Zukunftsschmiede“ beitrugen. „Überraschend war, dass kein einziges der 75 Papiere die Inhalte eines anderen wiederholte. Mit den Beiträgen wurde die hohe Wissenschaftlichkeit und thematische Breite der Gartendenkmalpflege deutlich, ebenso wie die Fähigkeit der Fachgesellschaft zum Dialog auf Augenhöhe und kollaborativen, interdisziplinären und in die Zukunftsgestaltung gerichteten Arbeiten. Die Fachgesellschaft hat Strategien aufgezeigt, wie das Gartenerbe für nachfolgende Generationen bewahrt werden kann.“

Die Leibniz Universität Hannover dankt allen Beteiligten für die aktive und zielführende Zusammenarbeit.